Veröffentlicht am März 12, 2024

Zusammenfassend:

  • Das Gefühl, von äußeren Stimmungen überwältigt zu werden, ist für hochsensible Frauen real und anstrengend.
  • Statt Emotionen abzublocken, liegt die Lösung darin, einen flexiblen mentalen Filter durch Selbst- und Co-Regulation zu entwickeln.
  • Dieser Artikel zeigt Ihnen konkrete, im deutschen Alltag verankerte Techniken, um Ihr Nervensystem zu stabilisieren und zentriert zu bleiben.

Kennen Sie das Gefühl? Ein Kollege betritt schlecht gelaunt das Büro, und sofort sinkt Ihre eigene Stimmung. Ihr Kind hat einen Wutanfall, und Sie fühlen sich, als würde ein Gewitter in Ihnen selbst aufziehen. Für hochsensible Frauen und Mütter ist dies kein seltenes Phänomen, sondern anstrengender Alltag. Es ist die emotionale Ansteckung – die Tendenz, die Gefühle anderer aufzusaugen wie ein Schwamm.

Die gängigen Ratschläge sind schnell zur Hand: „Denk positiv!“, „Nimm es dir nicht so zu Herzen!“ oder „Du musst dich einfach besser abgrenzen.“ Doch diese gut gemeinten Phrasen scheitern oft an der Realität eines durchlässigen Nervensystems. Sie führen eher zu Selbstzweifeln, weil das einfache „Abschalten“ nicht gelingt. Der Versuch, eine undurchdringliche Mauer um sich zu errichten, kostet Unmengen an Energie und isoliert uns von der Empathie, die eigentlich eine unserer größten Stärken ist.

Aber was wäre, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, eine Mauer zu bauen, sondern einen intelligenten Filter zu kultivieren? Einen Filter, der es Ihnen erlaubt, die Emotionen anderer wahrzunehmen, ohne von ihnen überschwemmt zu werden. Die wahre Kunst der inneren Ruhe besteht nicht in der Abwehr, sondern in der bewussten Regulation des eigenen Nervensystems. Es geht darum, sich selbst zu stabilisieren, um dann ein Fels in der Brandung für andere sein zu können – sei es für Ihre Kinder, Partner oder Kollegen. Dieser Ansatz wandelt emotionale Belastung in bewusste Stärke um.

In diesem Artikel werden wir gemeinsam diesen Weg beschreiten. Wir erforschen, wie Sie einen mentalen Schutzschild entwickeln, der nicht abwehrt, sondern filtert. Wir betrachten, wie Sie starke Gefühle wie Wut gesund kanalisieren und wann es sinnvoll ist zu kämpfen oder eine Situation zu akzeptieren. Am Ende werden Sie praktische Werkzeuge in der Hand halten, um Ihre innere Mitte zu finden und zu halten, selbst wenn die Welt um Sie herum im Chaos versinkt.

Wie bauen Sie einen mentalen Schutzschild gegen die Launen Ihres Chefs oder Partners?

Der Begriff „Schutzschild“ klingt nach einer starren, undurchdringlichen Barriere. Doch für hochsensible Menschen ist dies oft kontraproduktiv. Ein effektiverer Ansatz ist die Vorstellung eines flexiblen Nervensystem-Filters. Dieser Filter blockiert nicht, sondern hilft Ihnen, emotionale Informationen zu verarbeiten, ohne von ihnen überschwemmt zu werden. Es geht darum, die Stimmung eines anderen wahrzunehmen – zum Beispiel die Anspannung Ihres Chefs – aber bewusst zu entscheiden, sie nicht in Ihr eigenes System eindringen zu lassen. Dies erfordert Übung in Achtsamkeit und Selbstwahrnehmung.

Am Arbeitsplatz ist der Schutz der psychischen Gesundheit nicht nur eine persönliche Aufgabe, sondern auch eine rechtliche Angelegenheit. In Deutschland ist die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung seit 2013 im Arbeitsschutzgesetz verankert. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, aktiv für ein gesundes Arbeitsumfeld einzutreten und die eigenen Grenzen als schützenswert zu betrachten. Ihr mentaler Filter ist Ihr persönlicher Beitrag zu diesem Schutz.

Die Kultivierung dieses Filters beginnt mit kleinen, bewussten Handlungen im Alltag. Es ist ein aktiver Prozess der Selbstfürsorge, der Ihnen erlaubt, empathisch und verbunden zu bleiben, ohne die emotionale Last anderer zu Ihrer eigenen zu machen. Die folgende Illustration symbolisiert diesen persönlichen, schützenden Raum inmitten einer belebten Umgebung.

Professioneller Arbeitsplatz mit symbolischer Schutzbarriere aus Licht

Wie Sie auf dem Bild sehen, geht es nicht darum, sich abzuschotten, sondern darum, einen zentrierten, klaren Raum für sich selbst zu schaffen. Dieser Raum ermöglicht es Ihnen, auf äußere Einflüsse mit Bedacht zu reagieren, anstatt automatisch darauf zu reagieren. Der erste Schritt ist, sich diesen Raum überhaupt zu erlauben und ihn als notwendig für Ihr Wohlbefinden anzuerkennen.

Ihr Plan zur Aktivierung des Nervensystem-Filters

  1. Punkte des Kontakts identifizieren: Listen Sie alle Situationen oder Personen auf, deren Stimmungen Sie regelmäßig „anstecken“ (z. B. Morgen-Meeting, Anrufe bei bestimmten Familienmitgliedern).
  2. Ressourcen sammeln: Erstellen Sie eine kurze Liste von Dingen, die Sie sofort erden. Das können ein bestimmter Duft (Minzöl), ein Foto, ein kurzer Spaziergang oder ein beruhigendes Lied sein.
  3. Auf Kohärenz prüfen: Bevor Sie in eine der identifizierten Situationen gehen, fragen Sie sich: „Bin ich gerade bei mir?“ Nehmen Sie drei bewusste Atemzüge, um sich in Ihrem Körper zu verankern.
  4. Muster erkennen: Führen Sie für eine Woche ein kurzes „Stimmungstagebuch“. Notieren Sie, wann Sie sich emotional überschwemmt fühlen. Erkennen Sie den Auslöser (z. B. Zeitdruck, Kritik)?
  5. Integrationsplan erstellen: Wählen Sie EINE der identifizierten Kontaktsituationen aus. Planen Sie, vor und nach dieser Situation bewusst eine Ihrer gesammelten Ressourcen (Schritt 2) einzusetzen.

Dürfen Frauen wütend sein: Wie kanalisieren Sie Aggression gesund?

Wut ist eine der am stärksten tabuisierten Emotionen für Frauen. Während männliche Aggression oft als Durchsetzungsstärke interpretiert wird, gilt eine wütende Frau schnell als „hysterisch“, „zickig“ oder „unweiblich“. Besonders Mütter, die Gefühle von Wut oder Überforderung zeigen, werden gesellschaftlich schnell abgestempelt. Dieses Stigma führt dazu, dass viele Frauen ihre Wut unterdrücken, was zu passiv-aggressivem Verhalten, Depressionen oder psychosomatischen Beschwerden führen kann. Die entscheidende Frage ist also nicht, *ob* Frauen wütend sein dürfen, sondern *wie* sie diese kraftvolle Emotion gesund kanalisieren können.

Die Soziologin Jutta Allmendinger beschreibt die gesellschaftliche Verurteilung von Müttern, die nicht dem traditionellen Ideal entsprechen, eindrücklich. In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung erinnert sie sich an ihre eigene Erfahrung:

Man bemitleidete mein Kind, ich galt als Rabenmutter.

– Jutta Allmendinger, Stuttgarter Zeitung Interview

Gesunde Aggression ist eine vitale Lebenskraft. Sie ist die Energie, die wir brauchen, um Grenzen zu setzen, für unsere Werte einzustehen und Veränderungen herbeizuführen. Der erste Schritt zur gesunden Kanalisierung von Wut ist, sie als Signal anzuerkennen. Wut zeigt uns, dass eine unserer Grenzen überschritten oder ein wichtiges Bedürfnis nicht erfüllt wurde. Anstatt sie zu unterdrücken, können wir sie als Information nutzen und uns fragen: „Was will mir dieses Gefühl sagen? Welche Grenze wurde hier verletzt?“

Fallbeispiel: Die Debatte um „Regretting Motherhood“ in Deutschland

Die israelische Soziologin Orna Donath löste mit ihrer Studie „Regretting Motherhood“ eine heftige Debatte in Deutschland aus. Sie befragte 23 Mütter, die angaben, ihre Mutterschaft zu bereuen. Die öffentlichen Reaktionen waren extrem: Die Frauen wurden als „Rabenmütter“ und „gefühlskalte Egoistinnen“ beschimpft. Gleichzeitig meldeten sich aber auch unzählige andere Mütter zu Wort, die zugaben, ebenfalls mit ihrer Rolle unzufrieden zu sein und oft Wut oder Verzweiflung zu empfinden. Dieses Beispiel zeigt, wie stark das Tabu ist, aber auch, wie wichtig es ist, einen Raum für diese „verbotenen“ Gefühle zu schaffen, um sie konstruktiv zu verarbeiten, anstatt sie destruktiv werden zu lassen.

Anstatt die Energie der Wut nach innen zu richten, kann sie nach außen in konstruktive Handlungen umgeleitet werden: ein klares Gespräch führen, eine sportliche Aktivität ausüben, die eine physische Entladung ermöglicht, oder kreativen Ausdruck finden. Wut wird so von einer zerstörerischen Kraft zu einem Motor für positive Veränderung.

Wann müssen Sie eine Situation annehmen und wann sollten Sie kämpfen?

Diese Frage ist eine der zentralsten Herausforderungen auf dem Weg zur inneren Ruhe. Ein ständiger Kampf gegen Unveränderliches erschöpft unsere Ressourcen, während passives Hinnehmen von Ungerechtigkeit zu Verbitterung führt. Die Kunst liegt darin, weise zu unterscheiden. Das Konzept der Radikalen Akzeptanz aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) bietet hier einen wertvollen Ansatz. Radikale Akzeptanz bedeutet nicht, eine Situation gutzuheißen oder passiv zu werden. Es bedeutet, die Realität, wie sie gerade ist, vollständig und ohne Verurteilung anzuerkennen. Erst aus dieser Akzeptanz heraus kann eine klare Entscheidung getroffen werden: Handle ich oder lasse ich los?

Ein Kampf lohnt sich, wenn eine realistische Chance auf Veränderung besteht, die Situation im Widerspruch zu Ihren tiefsten Werten steht und Sie über die notwendigen Ressourcen (Energie, Unterstützung, Zeit) verfügen. Annehmen ist die klügere Wahl, wenn Sie die Situation nicht ändern können (z. B. das Wetter, eine chronische Krankheit) oder der Preis des Kampfes unverhältnismäßig hoch wäre.

Anwendungsfall: MBSR als Strategie der Radikalen Akzeptanz

Das Programm MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) ist ein gutes Beispiel für gelebte Akzeptanz. Ursprünglich für Menschen mit chronischen Schmerzen entwickelt, lehrt der 8-wöchige Kurs, wie man durch Achtsamkeitsmeditation Empfindungen – auch unangenehme – wahrnimmt, ohne sofort gegen sie anzukämpfen. Eine positive Wirkung wurde mittlerweile auch bei Burnout, Depressionen und Angsterkrankungen nachgewiesen. Die Teilnehmer lernen, die Realität ihrer Situation anzunehmen, was paradoxerweise oft der erste Schritt zur Besserung ist, da Energie freigesetzt wird, die zuvor im Widerstand gebunden war.

Für den deutschen Arbeitskontext kann eine strukturierte Analyse helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Berücksichtigen Sie rechtliche Rahmenbedingungen, die Unterstützung durch Gremien wie den Betriebsrat und Ihre persönlichen Kraftreserven. Die folgende Matrix dient als Orientierungshilfe.

Entscheidungsmatrix: Annehmen oder Kämpfen im deutschen Arbeitskontext
Kriterium Für Akzeptanz spricht Für aktives Handeln spricht
Rechtliche Grundlage Keine klare Gesetzesgrundlage vorhanden AGG-Schutz oder Arbeitsschutzgesetz anwendbar
Unterstützungssysteme Keine Unterstützung durch Betriebsrat/Gewerkschaft Aktive Unterstützung durch ver.di, Betriebsrat verfügbar
Persönliche Ressourcen Energiereserven erschöpft Ausreichend Kraft für längeren Prozess
Langfristige Perspektive Baldiger Jobwechsel geplant Langfristige Position im Unternehmen

Warum macht die Verurteilung von Trauer das Gefühl nur schlimmer?

Trauer ist eine natürliche und notwendige Reaktion auf Verlust. Doch in unserer leistungsorientierten Gesellschaft wird sie oft als Schwäche oder Störung betrachtet. Wir bekommen Botschaften wie „Das Leben geht weiter“ oder „Du musst jetzt stark sein“. Diese Verurteilung oder Bagatellisierung der Trauer führt zu einem schmerzhaften Phänomen: der sekundären Emotion. Zur eigentlichen Trauer gesellen sich dann Gefühle wie Scham, Schuld oder Wut darüber, dass man „immer noch“ trauert oder „nicht richtig funktioniert“. Man verurteilt sich selbst für ein absolut menschliches Gefühl, was das Leid nur verschlimmert und den Heilungsprozess blockiert.

Trauer ist kein linearer Prozess, den man abhaken kann. Sie kommt in Wellen und hat ihre eigene Zeitrechnung. Sie zu unterdrücken, ist wie einen Ball unter Wasser zu drücken: Es kostet immense Kraft und früher oder später schnellt er unkontrolliert an die Oberfläche. Echte Heilung beginnt mit der Erlaubnis, trauern zu dürfen. Es bedeutet, die Trauer als Teil des eigenen Erlebens zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten. Geben Sie dem Gefühl Raum, ohne sich darin zu verlieren. Das kann bedeuten, bewusst Zeit für Erinnerungen einzuplanen, darüber zu sprechen oder es kreativ auszudrücken.

Es ist ein Akt der Selbstmitgefühls, sich diese Erlaubnis zu geben. Statt sich zu fragen „Warum bin ich immer noch nicht darüber hinweg?“, können Sie sich fragen: „Was brauche ich heute, in diesem Moment meiner Trauer?“ Diese Haltungsänderung nimmt den Druck und öffnet die Tür für eine sanfte Verarbeitung. Es ist wichtig zu wissen, dass Sie mit diesen Gefühlen nicht allein sind und es in Deutschland vielfältige, oft kostenlose Hilfsangebote gibt, um Unterstützung zu finden.

Wegweiser zu deutschen Trauer-Ressourcen: Erste Schritte

  1. Suchen Sie nach lokalen Trauercafés über die Webseite Ihres kommunalen Gesundheitsamtes.
  2. Finden Sie deutschlandweit Selbsthilfegruppen für spezifische Verluste über die NAKOS (Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe).
  3. Nutzen Sie spezialisierte Online-Portale wie „Verwitwet.de“ oder „Hope’s Angel“ für den Austausch mit Betroffenen.
  4. Prüfen Sie Ihren Anspruch auf Sonderurlaub im Todesfall bei Ihrem Arbeitgeber. Dies ist oft in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen geregelt.
  5. Kontaktieren Sie kostenlose Erziehungsberatungsstellen Ihrer Stadt oder Gemeinde, wenn Kinder von der Trauer betroffen sind.

Wie beruhigen Sie sich selbst, um dann Ihre Kinder oder Kollegen zu beruhigen?

Das Prinzip, das hier wirkt, nennt sich Co-Regulation. Unsere Nervensysteme sind keine isolierten Einheiten; sie kommunizieren und beeinflussen sich ständig gegenseitig. Ein ruhiges und zentriertes Nervensystem hat eine beruhigende Wirkung auf ein gestresstes oder aufgewühltes Nervensystem in seiner Umgebung. Dies ist besonders in der Eltern-Kind-Beziehung von zentraler Bedeutung, gilt aber auch im beruflichen Kontext. Wenn Sie innerlich im Sturm sind, können Sie von Ihrem Kind oder einem panischen Kollegen nicht erwarten, ruhig zu werden. Die wichtigste Regel lautet daher: Setzen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske auf.

Sich selbst zu beruhigen bedeutet, das eigene Nervensystem vom „Kampf-oder-Flucht“-Modus (sympathisch) in den „Ruhe-und-Verdauungs“-Modus (parasympathisch) zu bringen. Dies gelingt nicht durch reines Denken, sondern durch körperliche Signale. Langsames, tiefes Ausatmen, sanfte Berührung (z. B. eine Hand aufs Herz legen), Summen oder das Spüren der Füße auf dem Boden sind einfache Techniken, die dem Gehirn signalisieren: „Du bist in Sicherheit.“ Gerade für Frauen, deren mentale Belastung nach wie vor hoch ist, sind solche Mikro-Interventionen im Alltag entscheidend.

Sobald Sie sich selbst ein wenig stabilisiert haben, können Sie diese Ruhe weitergeben. Das geschieht weniger durch Worte („Beruhige dich!“) als durch Ihre Präsenz. Ein ruhiger Tonfall, eine sanfte Berührung und eine entspannte Körperhaltung signalisieren dem Nervensystem des anderen, dass die Gefahr vorüber ist. Diese Form der Co-Regulation ist ein Geschenk, das Sie sich und anderen machen.

Mutter und Kind in ruhiger Verbindung durch sanfte Berührung

Diese enge Verbindung, wie sie im Bild dargestellt ist, ist der Kern der Co-Regulation. Es ist die nonverbale Kommunikation von Sicherheit und Geborgenheit, die das Nervensystem eines Kindes oder auch eines Erwachsenen am effektivsten erreicht. Indem Sie Ihre eigene innere Ruhe kultivieren, werden Sie zu einem sicheren Hafen für die Menschen um Sie herum.

Wie überleben Sie den Alltag mit einem Kind, das alles extrem empfindet?

Ein Alltag mit einem hochsensiblen Kind kann sich anfühlen wie das Navigieren durch ein Minenfeld. Ein kratzender Pullover löst eine Krise aus, ein lautes Geräusch führt zu einem Zusammenbruch, und die Stimmungen anderer werden ungefiltert aufgesogen. Der Schlüssel zum Überleben und Gedeihen liegt darin, die Perspektive zu wechseln: Es geht nicht darum, das Kind zu „reparieren“, sondern darum, eine Umgebung zu schaffen, die seine besondere Wahrnehmung respektiert und unterstützt. Sie sind nicht allein: Schätzungen zufolge sind 15-20% der Kinder in Deutschland hochsensibel. Ihre Aufgabe als Elternteil ist die eines Co-Regulators und eines „Reiz-Managers“.

Das Konzept der Co-Regulation ist hier von entscheidender Bedeutung. Wenn Ihr Kind von seinen Gefühlen überschwemmt wird, ist sein rationales Gehirn offline. Es braucht Ihr ruhiges Nervensystem als Anker, um sich selbst wieder zu stabilisieren. Anstatt mit Logik zu argumentieren („Es ist doch nur ein kratziger Pulli!“), helfen körperliche Nähe, eine ruhige Stimme und das Benennen des Gefühls („Ich sehe, das fühlt sich gerade ganz furchtbar für dich an.“). Sie werden zum sicheren Hafen, in dem die Welle der Emotion abebben kann.

Gleichzeitig ist proaktives Reiz-Management essenziell. Beobachten Sie, welche Situationen oder Reize (Geräusche, Gerüche, Menschenmengen, aber auch Hunger oder Müdigkeit) Ihr Kind besonders fordern. Es geht nicht darum, alle Reize zu eliminieren, sondern darum, sie bewusst zu dosieren. Schaffen Sie vorhersehbare Strukturen und Rituale, die Ihrem Kind Sicherheit geben. Richten Sie eine gemütliche „Ruhezone“ oder „Höhle“ ein, in die es sich jederzeit zurückziehen kann. Betonen Sie außerdem die Stärken, die mit Hochsensibilität einhergehen: eine enorme Empathie, ein tiefer Gerechtigkeitssinn, Kreativität und eine intensive Begeisterungsfähigkeit.

In Deutschland gibt es zudem die Möglichkeit, für hochsensible Kinder bei Bedarf einen Nachteilsausgleich in der Schule zu beantragen. Dies kann beispielsweise mehr Zeit bei Klassenarbeiten, einen separaten Raum für Prüfungen oder die Erlaubnis, Kopfhörer zu tragen, umfassen. Sprechen Sie hierzu mit den Lehrkräften und der Schulleitung oder holen Sie sich Rat bei Erziehungsberatungsstellen.

Karriere oder Freundschaften: Welchen Preis zahlen Sie wirklich für den Erfolg?

Die moderne Frau in Deutschland steht oft vor einem Dilemma, das ihre Mütter- und Großmüttergeneration so nicht kannte. Der Bildungsaufstieg war rasant: Waren in der Müttergeneration oft nur wenige Frauen Akademikerinnen, ist das Abitur heute für junge Frauen fast die Norm. Dieser Erfolg hat neue Türen geöffnet, aber auch einen neuen Druck erzeugt. Der Anspruch, in der Karriere durchzustarten, erfordert Zeit, Energie und einen Fokus, der oft zu Lasten sozialer Beziehungen geht. Die Frage „Karriere oder Freundschaften?“ stellt sich als schmerzhafter Kompromiss dar, bei dem es scheinbar nur Verlierer geben kann.

Der wahre Preis des Erfolgs, wenn er isoliert verfolgt wird, ist oft die emotionale Verarmung. Freundschaften sind kein Luxus, sondern ein existenzieller Teil unseres seelischen Immunsystems. Sie bieten einen Raum, in dem wir uns verletzlich zeigen können, Erfolge ohne Neid gefeiert und Misserfolge aufgefangen werden. Wenn dieser Raum schrumpft, weil die Zeit fehlt oder weil man sich im Wettbewerb mit allen wähnt, steigt das Risiko für Burnout und das Gefühl der inneren Leere – trotz äußerer Erfolge. Der vermeintliche Erfolg wird hohl und bedeutungslos.

Doch die Frage ist möglicherweise falsch gestellt. Es muss nicht „entweder/oder“ heißen. Der zukunftsweisende Ansatz lautet: Erfolg durch und mit Verbindung. Anstatt Freundschaften als Konkurrenz zur Karriere zu sehen, können wir sie als deren Fundament betrachten. Dies erfordert eine bewusste Entscheidung, Zeit für soziale Kontakte im Kalender zu blockieren – genauso verbindlich wie ein Geschäftstermin. Es bedeutet auch, sich Netzwerke zu suchen, die auf Kooperation statt auf Konkurrenz setzen.

Lösungsansatz: Professionelle Frauen-Netzwerke als Synergie

In Deutschland gibt es eine wachsende Zahl von Netzwerken, die genau diesen Synergie-Gedanken leben. Organisationen wie das EWMD (European Women’s Management Development) oder das Business-Netzwerk „LeaderIn“ schaffen Räume, in denen Frauen sich gegenseitig unterstützen und fördern. Bei Veranstaltungen wie Themenabenden unter dem Motto „Es geht nur gemeinsam“ diskutieren Frauen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf Augenhöhe über Gleichstellungsfragen und teilen ihre Erfahrungen. Solche Netzwerke beweisen: Echter Erfolg entsteht nicht in der Isolation, sondern im Miteinander. Sie verwandeln potenzielle Konkurrentinnen in Verbündete.

Das Wichtigste in Kürze

  • Innere Ruhe entsteht nicht durch das Abblocken von Gefühlen, sondern durch die Kultivierung eines flexiblen mentalen Filters.
  • Co-Regulation ist der Schlüssel: Stabilisieren Sie zuerst Ihr eigenes Nervensystem, um eine beruhigende Präsenz für andere (Kinder, Kollegen) sein zu können.
  • Starke Emotionen wie Wut oder Trauer sind wichtige Signale. Anstatt sie zu verurteilen, lernen Sie, sie als Energie für positive Veränderung zu kanalisieren.

Wie meditieren Sie effektiv, auch wenn Sie nicht stillsitzen können?

Die Vorstellung von Meditation ist oft mit dem Bild eines still im Lotussitz verharrenden Mönchs verbunden. Für hochsensible Menschen, deren Nervensystem oft auf Hochtouren läuft, oder für Mütter im hektischen Alltag kann dieser Anspruch unüberwindbar erscheinen und zusätzlichen Stress erzeugen. Die gute Nachricht ist: Meditation ist nicht an Stillsitzen gebunden. Das Ziel der Meditation ist nicht Leere im Kopf, sondern die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit in den gegenwärtigen Moment. Und das kann auch in Bewegung geschehen.

Aktive oder bewegte Meditationen sind eine wunderbare Alternative für unruhige Geister. Sie nutzen den Körper als Anker für die Aufmerksamkeit und erlauben dem Nervensystem, sich durch sanfte, bewusste Bewegung zu regulieren. Anstatt gegen den Bewegungsdrang anzukämpfen, wird er in die Praxis integriert. Dies senkt die Hürde enorm und macht die positiven Effekte der Meditation – Stressreduktion, verbesserte Konzentration und emotionale Ausgeglichenheit – auch für jene zugänglich, die beim Gedanken an ein Meditationskissen nervös werden.

Finden Sie eine Form, die zu Ihnen und Ihrem Alltag passt. Es geht nicht um Perfektion, sondern um eine regelmäßige, kurze Praxis von wenigen Minuten. Experimentieren Sie mit verschiedenen Ansätzen, um herauszufinden, was sich für Ihr Nervensystem am besten anfühlt.

Person praktiziert Gehmeditation auf gewundenem Parkweg

Eine besonders zugängliche Form ist die Gehmeditation, wie sie im Bild angedeutet wird. Anstatt ziellos zu laufen, richten Sie Ihre gesamte Aufmerksamkeit auf die Empfindungen des Gehens: das Abrollen der Füße, der Kontakt der Sohlen mit dem Boden, der Wind auf der Haut. Sie können dies auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause im Park oder sogar im Flur Ihrer Wohnung praktizieren.

Alternative Meditationsformen für unruhige Geister

  1. Gehmeditation: Konzentrieren Sie sich beim Gehen ganz bewusst auf das Gefühl Ihrer Fußsohlen, die den Boden berühren. Nehmen Sie jede Veränderung des Untergrunds wahr.
  2. Achtsames Kochen oder Abwaschen: Richten Sie Ihre volle Aufmerksamkeit auf die Sinneswahrnehmungen: das Gefühl des Wassers auf den Händen, der Duft von Gemüse, das Geräusch des Messers auf dem Brett.
  3. Qigong oder Tai Chi: Diese traditionellen chinesischen Bewegungskünste verbinden langsame, fließende Bewegungen mit tiefer Atmung und sind eine Form der Meditation in Bewegung.
  4. Yoga: Besonders sanfte Yoga-Stile (z. B. Yin Yoga) oder das bewusste Halten von Dehnübungen können den Geist zur Ruhe bringen, während der Körper aktiv bleibt.
  5. Progressive Muskelentspannung (PMR): Bei dieser Technik spannen Sie nacheinander verschiedene Muskelgruppen an und lassen sie wieder los. Sie ist leicht zu lernen und wird in Deutschland oft als Präventionskurs von den Krankenkassen anerkannt.

Der Weg zur inneren Ruhe ist individuell. Indem Sie verstehen, wie Sie effektiv meditieren können, auch ohne stillzusitzen, eröffnen Sie sich neue Möglichkeiten der Selbstregulation.

Beginnen Sie noch heute damit, eine dieser Strategien in Ihren Alltag zu integrieren. Es geht nicht darum, alles auf einmal perfekt zu machen, sondern darum, den ersten, kleinen Schritt zu wagen, um Ihren inneren Filter zu stärken und Ihre angeborene Resilienz zu aktivieren.

Geschrieben von Sabine Keller, Diplom-Psychologin und Business-Coach mit Schwerpunkt auf Resilienz und Female Leadership. 15 Jahre Erfahrung in der Beratung von Frauen in Führungspositionen und bei der Burnout-Prävention.