Veröffentlicht am März 11, 2024

Die wahre Kraft für den Alltag entsteht nicht durch isolierte Muskelübungen, sondern durch das Reaktivieren intelligenter Bewegungsmuster.

  • Ein starker Rumpf (durch Planks, nicht Crunches) ist das Fundament für jedes sichere Heben.
  • Explosive Hüftkraft (durch Kettlebell Swings) ist der Motor, um schwere Lasten wie Kinder oder Wasserkästen mühelos zu bewegen.

Empfehlung: Tauschen Sie eine isolierte Übung wie Bizeps-Curls gegen eine funktionelle Zugbewegung wie Rudern, um Dutzende Muskeln gleichzeitig zu trainieren und echte Alltagskraft aufzubauen.

Der Gedanke an Krafttraining ruft bei vielen Frauen Bilder von Hantelbänken und isolierten Bizeps-Curls hervor – Übungen, die sich oft fremd und weit entfernt vom eigentlichen Leben anfühlen. Sie jonglieren mit Karriere, Familie und dem mentalen „Load“. Die eigentliche Herausforderung ist nicht die Hantel im Studio, sondern das Kleinkind, das auf den Arm will, die schweren Einkaufstaschen, die in den vierten Stock müssen, oder der schwere Wasserkasten, der aus dem Auto gewuchtet wird. Die gängige Antwort darauf ist oft ein vages „Machen Sie einfach Sport“. Man versucht es mit Joggen, ein paar Crunches oder einem Online-Workout, merkt aber schnell, dass der Rücken trotzdem zwickt und das Heben nicht leichter wird.

Doch was, wenn das Problem nicht mangelnde Kraft in einem einzelnen Muskel ist, sondern das Vergessen fundamentaler, angeborener Bewegungsmuster? Was, wenn der Schlüssel nicht darin liegt, den Bizeps zu pumpen, sondern die gesamte kinetische Kette – von den Füßen über die Hüfte bis zu den Schultern – wieder als Einheit arbeiten zu lassen? Genau hier setzt Functional Training an. Es ist kein neuer Trend, sondern eine Rückbesinnung auf die Physik unseres Körpers. Es geht darum, nicht Muskeln, sondern Bewegungen zu trainieren: das Heben, Tragen, Drücken, Ziehen und Stabilisieren. Es ist die Sprache, die Ihr Körper von Natur aus spricht und die im modernen Sitz-Alltag oft verlernt wurde.

Dieser Artikel ist Ihr pragmatischer Guide, um diese Sprache wieder zu erlernen. Wir werden nicht nur Übungen auflisten. Wir werden die biomechanischen Prinzipien dahinter entschlüsseln. Sie werden verstehen, warum eine simple Plank Ihren Rücken mehr schützt als hundert Crunches, wieso eine Kettlebell ein ganzes Fitnessstudio ersetzen kann und wie Sie schwere Lasten heben, ohne Ihren Beckenboden zu gefährden. Das Ziel ist nicht, Sie für einen Wettkampf zu formen, sondern Sie für die anspruchsvollste Disziplin von allen unbesiegbar zu machen: Ihren Alltag.

Für alle, die lieber zusehen als lesen, bietet das folgende Video einen schnellen Einstieg in ein Ganzkörper-Workout, das viele der hier besprochenen Prinzipien in die Praxis umsetzt und ganz ohne Geräte auskommt.

Um die Prinzipien des funktionellen Trainings systematisch zu verstehen und anzuwenden, haben wir diesen Leitfaden in logische Abschnitte unterteilt. Jeder Teil baut auf dem vorherigen auf und führt Sie von den Grundlagen der Rumpfstabilität bis hin zur mentalen Stärke, die aus körperlicher Kompetenz erwächst.

Warum ist der Unterarmstütz (Plank) wichtiger als Crunches für Ihren Rücken?

Die Bauchmuskeln zu trainieren, um Rückenschmerzen vorzubeugen, ist ein weit verbreiteter Ratschlag. Doch die Wahl der Übung ist entscheidend. Crunches, das klassische „Aufrollen“, trainieren vor allem den geraden Bauchmuskel auf isolierte und oft ungesunde Weise. Sie fördern eine Beugung der Wirbelsäule, die wir im Alltag schon zu Genüge im Sitzen praktizieren. Die eigentliche Aufgabe der Rumpfmuskulatur ist jedoch nicht die Beugung, sondern die Stabilisierung unter Last – das Verhindern von unerwünschter Bewegung. Genau das trainiert der Unterarmstütz, auch Plank genannt.

Bei einer Plank lernt Ihr Körper, eine gerade Linie von den Schultern bis zu den Fersen zu halten und dabei gegen die Schwerkraft zu arbeiten. Dies aktiviert nicht nur die oberflächlichen Bauchmuskeln, sondern vor allem die tiefliegende Muskulatur wie den Transversus Abdominis, der wie ein inneres Korsett die Wirbelsäule schützt. Es geht um das Zusammenspiel der gesamten kinetischen Kette: Bauch, Rücken, Gesäß und sogar die Schultern müssen zusammenarbeiten. Dieses Bewegungsmuster ist die direkte Vorbereitung für alltägliche Belastungen wie das Tragen einer schweren Tasche auf einer Seite, ohne dabei in der Hüfte einzuknicken. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Plank eine der effektivsten Übungen zur Stärkung der gesamten Rumpfmuskulatur ist und Crunches in puncto neuronaler Aktivierung und Verletzungsprävention weit übertrifft.

Anstatt also unzählige Crunches zu machen, die potenziell Druck auf die Bandscheiben ausüben, konzentrieren Sie sich auf das Halten einer perfekten Plank. Beginnen Sie mit 30 Sekunden und steigern Sie sich langsam. Qualität geht hier klar vor Quantität. Ein stabiler Rumpf ist das unerschütterliche Fundament, auf dem jede weitere kraftvolle Bewegung aufbaut.

Squat-Tiefe verbessern: Wie kommen Sie wieder schmerzfrei in die Hocke?

Die tiefe Hocke ist eine der natürlichsten menschlichen Ruhe- und Arbeitspositionen. Kinder praktizieren sie mühelos stundenlang. Für viele Erwachsene ist sie jedoch schmerzhaft oder gar unmöglich geworden – eine direkte Folge unseres sitzenden Lebensstils. Dabei ist die Fähigkeit, tief und sicher in die Hocke zu gehen, die exakte Bewegung, die Sie benötigen, um ein Kind vom Boden aufzuheben, die unterste Schublade auszuräumen oder im Garten zu arbeiten, ohne den Rücken zu belasten. Es ist ein fundamentales Bewegungsmuster, das Kraft, Stabilität und Mobilität vereint.

Schmerzen oder eine begrenzte Tiefe beim Squat liegen oft nicht am Knie selbst, sondern an mangelnder Mobilität in anderen Gelenken. Die häufigsten Engpässe bei Büroarbeitern in Deutschland sind eingeschränkte Sprunggelenke und eine unbewegliche Hüfte. Wenn das Sprunggelenk nicht genügend Beugung zulässt, muss der Körper kompensieren, was oft zu einer ungesunden Gewichtsverlagerung und Schmerzen führt. Die tiefe Hocke ist daher nicht nur eine Übung, sondern auch ein exzellentes Diagnosewerkzeug, um die Schwachstellen Ihrer kinetischen Kette aufzudecken.

Frau demonstriert tiefe Hocke als natürliche Ruheposition

Dieses Bild zeigt, was das Ziel ist: eine entspannte, aufrechte Haltung, bei der die Fersen am Boden bleiben und der Rücken gerade ist. Um Ihre persönlichen Engpässe zu identifizieren und gezielt zu bearbeiten, können einfache Tests und Übungen helfen. Der „Knie-zur-Wand-Test“ ist beispielsweise eine hervorragende Methode, um die Mobilität Ihres Sprunggelenks zu überprüfen.

Die folgende Tabelle gibt Ihnen einen klaren Überblick über die häufigsten Blockaden und wie Sie diese mit einfachen Mitteln lösen können, um schmerzfrei wieder in die tiefe Hocke zu finden.

Mobilitäts-Engpässe und ihre Lösungen
Engpass Test Lösung
Sprunggelenk Knie-zur-Wand < 10cm Wadenstretch 3×30 Sek täglich
Hüfte 90/90 Position nicht möglich Taubenposition 2 Min pro Seite
Brustwirbelsäule Arme über Kopf führt zu Hohlkreuz Cat-Cow Übung 10 Wiederholungen

Warum ersetzt eine Kugelhantel ein ganzes Fitnessstudio?

Auf den ersten Blick ist es nur eine gusseiserne Kugel mit einem Griff. Doch die Kettlebell, oder Kugelhantel, ist ein revolutionäres Werkzeug für die Alltagsfitness. Ihre wahre Kraft liegt nicht in der Kugel selbst, sondern in den ballistischen, also explosiven, Übungen, die sie ermöglicht. Im Gegensatz zu klassischen Hanteln, deren Schwerpunkt zentriert ist, liegt der Schwerpunkt der Kettlebell außerhalb der Hand. Dies zwingt den Körper, bei jeder Bewegung permanent zu stabilisieren und viel mehr Muskeln gleichzeitig anzusprechen.

Die Königsdisziplin ist der Kettlebell Swing. Bei dieser Übung geht es nicht darum, das Gewicht mit den Armen zu heben. Der wahre Motor ist eine explosive Hüftstreckung. Sie lernen, Kraft aus den stärksten Muskeln Ihres Körpers – Gesäß und Oberschenkelrückseite – zu generieren und über den stabilen Rumpf auf das Gewicht zu übertragen. Dieses Bewegungsmuster ist die exakte Blaupause für das kraftvolle und sichere Anheben schwerer Gegenstände im Alltag, sei es ein Wasserkasten oder Ihr Kind. Die Arme dienen nur als Pendel.

Der Schlüssel ist nicht die Kugel, sondern die ballistische Hüftstreckung. Diese explosive Bewegung ist der wahre Motor für kraftvolles und sicheres Heben im Alltag.

– Dr. Till Sukopp, Das große Kettlebell-Trainingsbuch

Mit nur einer einzigen Kettlebell können Sie Kraft, Ausdauer, Stabilität und Koordination trainieren. Übungen wie der Swing, der Goblet Squat und das einarmige Tragen (Farmer’s Walk) simulieren komplexe Alltagsbelastungen perfekt. Für den Einstieg empfehlen Experten für Frauen in Deutschland ein Gewicht von 8 kg, während bereits trainierte Frauen oft mit 12 kg starten können. Anstatt also Zeit mit Dutzenden isolierten Übungen an verschiedenen Geräten zu verbringen, können Sie mit einer Kettlebell in 15 Minuten ein Ganzkörper-Workout absolvieren, das Sie direkt für die Anforderungen des täglichen Lebens wappnet.

Warum bringen Bizeps-Curls nichts für Ihre Alltagsfitness?

Der Bizeps-Curl ist der Inbegriff des klassischen „Bodybuilding“-Ansatzes: die Isolation eines einzelnen Muskels mit dem Ziel, ihn wachsen zu lassen. Für das Tragen einer Einkaufstüte oder das Hochheben eines Kindes ist diese Art von Training jedoch bemerkenswert ineffizient. Der Grund dafür ist einfach: Im echten Leben arbeitet kein Muskel allein. Ihr Körper funktioniert als System, als eine integrierte kinetische Kette. Wenn Sie eine schwere Last vom Boden heben, ist der Bizeps nur ein kleiner Mitspieler in einem großen Team.

Der Bizeps-Curl lehrt Ihren Körper ein unnatürliches, isoliertes Bewegungsmuster. Er vernachlässigt die viel wichtigeren Mitspieler: die Griffkraft Ihrer Hände, die Stabilität Ihrer Schultern, die Kraft des breiten Rückenmuskels (Latissimus) und vor allem die stabilisierende Arbeit Ihres gesamten Rumpfes. Ein starker Bizeps nützt wenig, wenn der Rest der Kette schwach ist – das ist ein Rezept für Kompensationsbewegungen und Verletzungen.

Fallbeispiel: Muskelaktivierung beim Bizeps-Curl vs. Heben einer Einkaufstüte

Eine biomechanische Analyse zeigt ein klares Bild: Beim isolierten Bizeps-Curl wird fast ausschließlich der Bizepsmuskel aktiviert. Beim Anheben einer schweren Einkaufstüte vom Boden hingegen feuern Dutzende Muskeln gleichzeitig. Die Analyse misst eine signifikante Aktivität im Bizeps, im Latissimus, in der hinteren Schultermuskulatur, den Unterarmmuskeln für die Griffkraft und im gesamten Rumpf, der die Wirbelsäule stabilisiert. Dies demonstriert die überwältigende Überlegenheit funktioneller, integrierter Bewegungsmuster gegenüber isoliertem Training für die Bewältigung von Alltagsbelastungen.

Anstatt also Ihre Zeit mit Curls zu verbringen, sollten Sie sich auf funktionelle Zugübungen konzentrieren, die den gesamten Körper einbeziehen. Diese Übungen simulieren reale Anforderungen und bauen eine Kraft auf, die sich direkt im Alltag bemerkbar macht. Die folgende Checkliste gibt Ihnen praxiserprobte Alternativen, die speziell auf den deutschen Alltag zugeschnitten sind.

Ihr Aktionsplan: Funktionelle Zugkraft statt isolierter Curls

  1. TRX-Rudern: Simuliert das Heranziehen an Haltestangen in der U-Bahn und stärkt den gesamten oberen Rücken.
  2. Kreuzheben mit Kettlebell: Trainiert das korrekte Anheben schwerer Gegenstände vom Boden, wie zum Beispiel die berüchtigten Wasserkästen.
  3. Farmer’s Walk: Das Tragen von schweren Gewichten (Kettlebells, Hanteln) über eine Distanz ist die direkteste Vorbereitung für das Schleppen von Einkaufstaschen.
  4. Klimmzüge (oder assistierte Varianten): Die ultimative Ganzkörper-Zugübung, die maximale Kraft im Verhältnis zum eigenen Körpergewicht aufbaut.

Wie heben Sie schwere Gewichte, ohne Ihren Beckenboden zu belasten?

Für Frauen, insbesondere für Mütter, ist das Thema Beckenboden von zentraler Bedeutung. Die Sorge, beim Heben oder Trainieren Druck auf den Beckenboden auszuüben und eine bestehende Schwäche zu verschlimmern, ist allgegenwärtig und berechtigt. Immerhin zeigen Studien, dass fast die Hälfte aller Frauen nach einer Geburt von einer Beckenbodenschwäche betroffen ist. Die gute Nachricht ist: Krafttraining und Beckenbodengesundheit sind kein Widerspruch. Im Gegenteil, richtig ausgeführtes funktionelles Training stärkt das gesamte System und schützt den Beckenboden.

Der größte Fehler beim Heben ist das Anhalten der Luft und das Pressen nach unten (die sogenannte Pressatmung). Dies erzeugt einen massiven intra-abdominellen Druck, der sich direkt auf den Beckenboden entlädt. Die korrekte Technik, bekannt als „Core-Atem“, integriert den Beckenboden aktiv in die Bewegung. Die Regel lautet: Bei Anstrengung ausatmen. Stellen Sie sich vor, Sie heben einen schweren Gegenstand. Kurz bevor Sie die Kraft aufwenden, atmen Sie leicht ein. Während Sie heben, atmen Sie kraftvoll aus, als würden Sie eine Kerze auspusten. Gleichzeitig aktivieren Sie den Beckenboden sanft nach innen und oben – ein Gefühl, als würden Sie „etwas mit der Scheide anheben“.

Diese Technik koordiniert das Zwerchfell (Hauptatemmuskel) mit der tiefen Bauchmuskulatur und dem Beckenboden. Sie bilden zusammen eine funktionelle Einheit, die den Druck reguliert und die Organe stützt. Es geht nicht um ein maximales Verkrampfen, sondern um eine bewusste, zeitlich abgestimmte neuronale Aktivierung. Durch das Üben dieses Musters bei leichten Gewichten wird es zur Automatik, die Sie im Alltag schützt, wenn Sie Ihr Kind spontan hochheben, ohne darüber nachzudenken. Funktionelles Training ist somit auch ein exzellentes, praxisorientiertes Beckenbodentraining, das weit über die klassische Rückbildungsgymnastik hinausgeht.

Wann sollten Sie die „Wonder Woman“-Pose einnehmen, um Mut zu fassen?

Stärke ist nicht nur eine Frage von Muskeln, sondern auch von mentaler Haltung. Die Verbindung zwischen Körperhaltung und Selbstvertrauen ist wissenschaftlich gut belegt und ein mächtiges Werkzeug, das Sie jederzeit nutzen können. Die sogenannte „Power Pose“ – eine offene, expansive Körperhaltung, wie die klassische „Wonder Woman“-Pose mit den Händen in den Hüften – kann Ihre Biochemie und Ihr Gefühlsempfinden in nur wenigen Minuten verändern. Es ist eine Form der Selbstwirksamkeit, die im Körper beginnt.

Der Mechanismus dahinter ist hormonell. Forschungen zeigen, dass solche expansiven Körperhaltungen nachweislich den Spiegel des Stresshormons Cortisol senken können, während gleichzeitig das mit Dominanz und Selbstsicherheit assoziierte Hormon Testosteron ansteigt. Sie signalisieren Ihrem eigenen Gehirn: „Ich bin präsent, ich nehme meinen Raum ein, ich bin handlungsfähig.“ Dieser Effekt ist besonders nützlich vor Situationen, die mentalen Mut erfordern.

Denken Sie an die Momente im deutschen Alltag, die ein mulmiges Gefühl verursachen: die anstehende Gehaltsverhandlung, ein schwieriges Gespräch mit dem Chef, ein Termin beim Finanzamt oder Jobcenter, oder auch „nur“ der Anruf bei einer Behörde. Eine informelle Umfrage unter deutschen Frauen ergab, dass zwei Minuten Power Posing vor solchen Terminen das subjektive Stressgefühl erheblich reduzierte. Die Teilnehmerinnen fühlten sich präsenter und selbstsicherer. Nutzen Sie dieses Wissen pragmatisch: Bevor Sie in ein wichtiges Meeting gehen oder eine herausfordernde E-Mail schreiben, ziehen Sie sich für zwei Minuten zurück. Nehmen Sie eine kraftvolle Haltung ein, atmen Sie tief durch und beanspruchen Sie Ihren Raum. Es ist eine physische Vorbereitung auf eine mentale Leistung.

Wie reichen 5 Minuten Bewegung aus, um eine Schreibblockade zu lösen?

Jeder, der im Home Office arbeitet, kennt sie: die plötzliche Denkblockade. Der Cursor blinkt, der Kopf ist leer, die Konzentration ist weg. Der instinktive Griff zur Kaffeetasse oder zum Smartphone ist oft nur eine weitere Ablenkung. Eine weitaus effektivere Lösung kommt direkt aus den Prinzipien des funktionellen Trainings und dauert nur fünf Minuten: gezielte Bewegung zur neuronalen Aktivierung.

Eine Schreibblockade ist oft ein Zeichen dafür, dass das Gehirn in festgefahrenen Mustern verharrt. Um diese aufzubrechen, sind komplexe und überkreuzende Bewegungen (kontralaterale Bewegungen) ideal. Sie zwingen die linke und rechte Gehirnhälfte zur intensiven Kommunikation und Synchronisation, was die neuronalen Netzwerke quasi „neustartet“.

Kontralaterale Bewegungen zwingen die linke und rechte Gehirnhälfte zur Kommunikation, was festgefahrene Denkmuster aufbrechen und die Kreativität neu entfachen kann.

– Anne Haisch, Crossfit-Expertin

Ein kurzer, intensiver Bewegungs-Snack kann den Blutfluss zum Gehirn massiv erhöhen und neurotrophe Faktoren freisetzen, die das Denken fördern. Ein 5-Minuten-Protokoll könnte so aussehen: Beginnen Sie mit 30 Sekunden schnellen Kettlebell Swings (oder Hampelmännern), um den Puls hochzufahren. Fahren Sie fort mit einer Minute „Bird-Dog“ (im Vierfüßlerstand abwechselnd den rechten Arm und das linke Bein heben und umgekehrt), um die Gehirnhälften zu verbinden. Anschließend eine Minute Krabbeln – vorwärts und rückwärts – eine der fundamentalsten kontralateralen Bewegungen überhaupt. Beenden Sie die Sequenz mit ruhiger, tiefer Atmung in der tiefen Hocke, um das Nervensystem wieder zu beruhigen. Dieser „Reset“ ist effektiver als jede Tasse Kaffee, weil er nicht nur stimuliert, sondern das System neu ordnet.

Das Wichtigste in Kürze

  • Funktionelle Kraft entsteht durch das Training von Bewegungsmustern (Heben, Tragen), nicht durch die Isolation einzelner Muskeln.
  • Ein stabiler Rumpf (Plank) und eine explosive Hüfte (Kettlebell Swing) sind die beiden wichtigsten Säulen für sichere Alltagskraft.
  • Körperliche Kompetenz und Haltung (Power Posing) haben einen direkten, messbaren Einfluss auf das Selbstvertrauen und die mentale Stärke.

Warum ist Sport für Frauen das effektivste natürliche Antidepressivum ohne Nebenwirkungen?

Die positiven Auswirkungen von Sport auf die Stimmung sind allgemein bekannt. Doch wenn wir von funktionellem Krafttraining sprechen, geht der Effekt weit über das kurzfristige „Runner’s High“ hinaus. Es handelt sich um einen tiefgreifenden, neurobiologischen und psychologischen Prozess, der Krafttraining zu einem der wirksamsten natürlichen Antidepressiva macht, insbesondere für Frauen, die oft einem hohen Maß an chronischem Stress ausgesetzt sind.

Auf neurobiologischer Ebene ist die Wirkung beeindruckend. Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass insbesondere intensives Krafttraining die Produktion von BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor) anregt. BDNF wird oft als „Wachstumsdünger für das Gehirn“ bezeichnet, da es das Überleben bestehender Neuronen fördert und das Wachstum neuer Neuronen und Synapsen stimuliert. Eine niedrige BDNF-Konzentration wird stark mit Depressionen in Verbindung gebracht. Krafttraining ist somit eine direkte Intervention, um die strukturelle Gesundheit und Resilienz des Gehirns zu verbessern.

Doch die vielleicht stärkste Wirkung entfaltet sich auf der psychologischen Ebene: die Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Dieses Konzept beschreibt den Glauben an die eigene Fähigkeit, Herausforderungen zu meistern und Ziele zu erreichen. Jedes Mal, wenn Sie ein Gewicht heben, das vor ein paar Wochen noch unmöglich schien, oder eine Übung meistern, die Ihnen anfangs schwerfiel, erhalten Sie einen unbestreitbaren Beweis Ihrer eigenen Kompetenz und Stärke. Es ist eine Erfahrung, die sich direkt auf andere Lebensbereiche überträgt.

Die Erfahrung, ein Gewicht zu bewegen, das früher unmöglich schien, überträgt sich direkt auf das Gefühl, auch mentale und emotionale Herausforderungen meistern zu können. Diese Selbstwirksamkeitserfahrung ist besonders für Frauen in Deutschland wichtig, von denen 2024 über 35 Millionen regelmäßig Fitness betreiben.

– Erfahrungsbericht zur Selbstwirksamkeit durch Krafttraining

Dieses Gefühl, die Kontrolle zu haben und physisch handlungsfähig zu sein, ist ein starkes Gegengift zu den Gefühlen von Hilflosigkeit und Überforderung, die oft mit depressiven Verstimmungen oder dem alltäglichen Mental Load einhergehen. Es ist die Transformation von „Ich kann nicht“ zu „Ich kann“, bewiesen durch die eigene körperliche Leistung.

Die Erkenntnis, dass Sport weit mehr ist als nur körperliche Ertüchtigung, ist transformativ. Um die volle Wirkung zu entfalten, ist es entscheidend, das Training als eine bewusste Praxis für körperliche und mentale Gesundheit zu verstehen.

Beginnen Sie noch heute damit, diese Prinzipien in kleinen Schritten umzusetzen. Tauschen Sie eine ineffiziente Übung aus, konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung beim Heben oder nehmen Sie sich zwei Minuten für eine Power Pose. Jeder Schritt hin zu einem funktionelleren Körper ist ein Schritt hin zu mehr Stärke, Resilienz und Selbstvertrauen in Ihrem Alltag.

Häufige Fragen zum Training mit Alltagsbelastung

Wann sollte ich den Beckenboden beim Heben anspannen?

Die goldene Regel ist: Spannen Sie den Beckenboden kurz VOR und WÄHREND der Ausatmung bei Anstrengung an. Es ist ein sanftes Anheben und nach innen Ziehen, kein dauerhaftes Verkrampfen. Die Anspannung löst sich mit der Einatmung wieder.

Übernimmt die Krankenkasse Beckenboden-Training?

Ja, die klassische Rückbildungsgymnastik nach einer Geburt wird in Deutschland von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt und bildet eine hervorragende Grundlage. Die dort erlernten Prinzipien der Beckenboden-Aktivierung können und sollten Sie dann direkt in Ihr funktionelles Training übertragen, um sie alltagstauglich zu machen.

Wie erkenne ich eine falsche Hebetechnik, die den Beckenboden belastet?

Achten Sie auf klare Warnsignale: Wenn Sie beim Heben die Luft anhalten (Pressatmung), ein Gefühl von Druck nach unten im Becken verspüren oder Schmerzen im unteren Rücken auftreten, ist Ihre Technik fehlerhaft. Stoppen Sie die Übung und konzentrieren Sie sich auf die korrekte Core-Atem-Koordination.

Geschrieben von Miriam Weber, Systemische Therapeutin, MBSR-Lehrerin und Schlaf-Coach. 14 Jahre Erfahrung in der Stressbewältigung und somatischen Regulation des Nervensystems.